Schlagwortarchiv für: Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof hat für eine Vielzahl von Gerichtsverfahren eine grundsätzliche Entscheidung getroffen:

Erfolgte eine Geschäftsschließung aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, obliegt dem Mieter von gewerblich genutzten Räumen ein Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs.1 BGB.

Es hat jedoch eine Einzelfallentscheidung über die Höhe der Anpassung zu erfolgen. Hierbei sind auch geleistete staatliche Soforthilfen, Zahlungen aus Betriebsschließungsversicherungen und Umsatzrückgänge zu berücksichtigen. Eine pauschale Anpassung wurde verworfen.

 

BGH, Urt. v. 12.01.2022, Az. XII ZR 8/21

Der Bundesgerichtshof muss sich immer wieder mit Sachverhalten aus dem Bereich der Grundstücksveräußerung beschäftigen.
Im vorliegenden Fall (BGH, Urteil vom 28.05.2021 – V ZR 24/20) wurde bei der Errichtung eines auf dem Grundstück stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen. Nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt hierin keine Arglist. Im Urteil heißt es dazu eindeutig:

„Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gem. § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.“

Regelmäßig wird bereits in der notariellen Urkunde die Gewährleistung ausgeschlossen. Demnach müssen die Erwerber die Arglist des Verkäufers nachweisen. Diese kann im notariellen Kaufvertrag nicht ausgeschlossen werden.

Ausgabejahr: 2020
Erscheinungsdatum: 15.07.2020

Nr. 091/2020

Beschluss vom 16. Juni 2020 – II ZB 10/19

Der u.a. für das Kapitalmarktrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängige Kapitalanleger-Musterverfahren gegen die Volkswagen AG zur Verletzung von Publizitätspflichten im Zusammenhang des sogenannten Dieselskandals einem weiteren Kapitalanleger-Musterverfahren beim Oberlandesgericht Stuttgart gegen die Porsche SE nicht entgegen steht.

Karlsruhe, den 15. Juli 2020

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Der Bundesgerichtshof hat heute über interessante und praxisrelevante Sachverhalte entschieden.

Hat der Mieter bei Abschluss des Mietvertrages eine unrenovierte Wohnung und somit vertragsgemäß übernommen und wurden auch die Schönheitsreparaturen nicht wirksam auf den Mieter übertragen, kann er vom Vermieter die Durchführung von Schönheitsreparaturen verlangen. Dies setzt jedoch voraus, dass eine wesentliche Verschlechterung des Dekorationszustandes eingetreten ist.
Er hat sich jedoch an den hierfür anfallenden Kosten (regelmäßig zur Hälfte) zu beteiligen. Die Ausführung der Schönheitsreparaturen führt zu einer Verbesserung des vertragsgemäßen (unrenovierten) Dekorationszustands der Wohnung.

Im Urteil wird dazu wie folgt ausgeführt:
„Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.“

In der Praxis wird der Mieter zunächst nachweisen müssen, dass sich der Zustand des Mietobjekts verschlechtert hat. Weiter muss im Einzelfall ermittelt werden, welche Schönheitsreparaturen im Einzelnen erforderlich sind.

(BGH, Urt. vom 8. Juli 2020 – VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18)

Der Bundesgerichtshof hat sich erneut mit der Frage der Wirksamkeit von Patientenverfügungen befasst (Beschluss vom 14. November 2018 – XII ZB 107/18).

Danach ist der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme dann ohne richterliche Genehmigung durchzuführen, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.

Nach der Rechtsprechung des BGH entfaltet eine Patientenverfügung allerdings nur dann unmittelbare Bindungswirkung, wenn sich feststellen lässt, in welcher Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen dabei jedoch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Maßgeblich ist nicht, dass der Betroffene seine eigene Biografie als Patient vorausahnt und die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigt.

Nicht ausreichend sind jedoch allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Auch die Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung.

Ob in solchen Fällen eine hinreichend konkrete Patientenverfügung vorliegt, ist dann durch Auslegung der in der Patientenverfügung enthaltenen Erklärungen zu ermitteln.

Die Errichtung einer wirksamen Patientenverfügung sollte sorgfältig und mit Bedacht erfolgen.

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Ein Grundstückseigentümer, der einen Handwerker mit Arbeiten an seinem Haus beauftragt, haftet auch ohne eigenes Verschulden für Schäden, die dieser am Nachbarhaus verursacht.

Das hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden (Az. V ZR 311/16).

Im entschiedenen Fall waren bei Schweißarbeiten eines Dachdeckers Glutnester entstanden, die zu einem Brand am Nachbarhaus führten. Vom Dachdecker war wegen zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz nichts mehr zu holen. Der BGH verurteilte nun den Auftraggeber des Dachdeckers zum Schadenersatz.

Nach dem neuen Urteil des BGH kommt ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. § 906 BGB in Betracht, wenn von einem Grundstück schädigende Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen.

Voraussetzung ist, dass der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Im entschiedenen Fall konnte der Auftraggeber des Dachdeckers das Übergreifen des Feuers nicht verhindern.

Der Auftraggeber des Handwerkers kann sich auch nicht mehr auf eine sorgfältige Auswahl des beauftragten Handwerkers berufen.

Der nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch setzt kein Verschulden voraus. Im Ergebnis hat der BGH eine Gefährdungshaftung für Schäden im nachbarrechtlichen Verhältnis eingeführt.

Ein Auftraggeber ist daher gut beraten, sich von seinem Handwerker vor Auftragserteilung das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nachweisen zu lassen.